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Sprung ins Parlament?
Die Grünen betreten die politische Bühne in Tschechien

Im Juni wählen die Tschechen ihre Abgeordneten und vielleicht schafft dann eine bisher unbedeutende Partei den Sprung ins Parlament: die Grünen. Bei allen aktuellen Umfragen springen sie dabei deutlich über die Fünf-Prozent-Hürde. Programmatisch orientieren sich die tschechischen Grünen an ihren deutschen Vorbildern: von der Ökosteuer bis hin zum Verbraucherschutz . Allerdings rätseln Beobachter, wer die Wähler dieses Programms sind - denn eine ähnlich geprägte Klientel wie in Deutschland gibt es in Tschechien nicht. Kilian Kirchgeßner beschreibt das Phänomen.

Der tosende Applaus zum Empfang tut Martin Bursik sichtlich gut. Der Spitzenkandidat der tschechischen Grünen ist eine solche Begrüßung bei seinen Auftritten bislang nicht gewöhnt: Irgendwo im Prozentbereich dümpelte seine Partei bislang und rangierte damit weitgehend abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit. Seit einigen Wochen allerdings drängen die Grünen in den Umfragen der Meinungsforscher nach vorn. Gut zwei Monate vor den Wahlen werden ihnen 10 Prozent prognostiziert. Viele Wähler richten große Hoffnungen auf den neuen politischen Stern in Tschechien.

Ich hoffe, dass sie es ins Parlament schaffen, aber dann müssen wir erstmal schauen, was sie daraus machen, sagt dieser junge Wähler. Es wäre ein angenehmer Wechsel, meint eine andere Passantin und fügt hinzu: Man hört viel über sie, aber so richtig kenne ich ihr Programm eigentlich gar nicht.

In einer Mammuttour durch das 10-Millonen-Einwohner-Land will der grüne Spitzenkandidat Martin Bursik sich und seine Partei vorstellen. Sein Kalender ist deshalb prall gefüllt. Heute ist er in Mittelböhmen. In einem Gymnasium hält er vor internationalen Studenten einen Vortrag über erneuerbare Energien und stellt sich dann im Saal einer Dorfkneipe den neugierigen Fragen der potenziellen Wähler. Sichtlich gefällt ihm dabei die Rolle des politischen Davids, der die vier etablierten Parteien ganz ordentlich ins Schwitzen bringt.

Endlich nach langer Zeit, in der im Fischteich nur vier faule Karpfen schwammen und nichts passiert ist, kommt es auf einmal zu einer Wende. Wenn wir es ins Parlament schaffen, eröffnen wir damit neue politische Möglichkeiten. Wir sehen uns in einer Rolle, in der wir die Kommunisten aus dem Spiel halten.

Tatsächlich könnten die Grünen nach der Wahl darüber entscheiden, wer die Regierung stellt. Wir sind nichts rechts, wir sind nichts links - wir sind grün. Diesen Satz wiederholt der Parteichef Martin Bursik häufig und gerade damit schafft er Sympathien. Die etablierten Parteien nämlich besetzen nicht die politische Mitte, sondern tummeln sich lieber an den Randbereichen: Die regierenden Sozialdemokraten liebäugeln ganz offen mit einer Minderheitsregierung unter Duldung der nicht reformierten Kommunisten und die größte Oppositionspartei ODS peilt einen neoliberalen Reformkurs an. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es kaum eine Alternative. Das hat die Grünen groß gemacht, urteilt der Prager Politologe Jiri Pehe.

Ich denke, es gibt drei Gründe für den Erfolg der Grünen. Erstens gibt es einen Bedarf für eine grüne Politik, weil wir hierzulande ernste Umweltprobleme haben. Zweitens haben die Grünen für sozialliberale Wähler eine Lücke geschlossen, weil die bislang niemanden hatten, den sie wählen konnten. Der dritte Grund ist, dass die Leute eine Partei gesucht haben, mit der sie das politische Establishment bestrafen können. Das spricht vor allem die jungen Wähler an, die mit den in ihren Augen korrumpierten Parteien aus dem Parlament nichts zu tun haben wollen.

Um diesen Trumpf nicht zu verspielen, machen die Grünen noch keine Koalitionsaussage. Stattdessen versuchen sie, ihr Programm in den Mittelpunkt zu stellen. Und das ist eng an den Aussagen der deutschen Schwesterpartei orientiert, wie Martin Bursik deutlich macht:

Sicherlich wird da das Thema der Lastwagen sein, wir wollen ein Sonntagsfahrverbot und die Verlagerung auf die Schiene. Ein weiteres Thema ist der Verbraucherschutz, der hier bislang weitaus weniger Bedeutung hat als in den alten EU-Ländern. Außerdem steht bei uns im Programm die Förderung von erneuerbaren Energien und die Verbindung von Energie- und Klimapolitik.

Um diese ur-grünen Inhalte ins tschechische Parlament zu hieven, liefern die europäischen Grünen ihren Kollegen in Prag massive Schützenhilfe, auch Daniel Cohn-Bendit hat bereits einen Auftritt in Tschechien angekündigt. Die Grünen sehen Prag als strategischen Ort an: Ein Wahlsieg dort, so hoffen sie, ist der Auftakt für eine Erfolgsserie auch in den anderen östlichen EU-Ländern.